Informiere dich hier, was Dominanz tatsächlich bedeutet:
Rangordnungen (wie sie in Untersuchungen an in Gefangenschaft lebenden Tieren festgestellt werden) sind in vielen Fällen das Ergebnis von Gefangenschaft und Stress. In anderen Fällen "wird die Rangordnung möglicherweise eher durch die Studie verursacht als aufgezeigt".
Wenn wir einen fleischigen Knochen zwischen zwei Hunde werfen, die einander fremd sind, ist die Rangordnung, auf die wir daraus schließen, möglicherweise nicht das Ergebnis eines allgemein gültigen Ordnungsprinzips sozialer Beziehungen, sondern vielmehr eines unüblichen, ja sogar eines in der Natur sehr unwahrscheinlichen Ereignisses. "An dieser Stelle zeigen sich möglicherweise bedeutungslose Zusammenhänge. Daher müssen die Ergebnisse experimenteller Untersuchungen, die nicht mit unter natürlichen Bedingungen gemachten Verhaltensbeobachtungen übereinstimmen, mit Misstrauen betrachtet werden."
Man hat wiederholt festgestellt, dass sich bei der Zusammenstellung in Gefangenschaft lebender Populationen unnatürliche Rangordnungen bilden. Diese Rangordnungen sind wahrscheinlich eine Reaktion auf abnormale soziale Bedingungen.
Der Großteil der Wolfsforschung erfolgt an in Gefangenschaft lebenden, nicht miteinander verwandten Tieren. Die Beobachtungen und Schlussfolgerungen beruhen auf künstlichen Bedingungen und spiegeln daher die Wirklichkeit eines natürlichen Wolfsrudels nicht wieder, d. h., sie sind ungültig. NICHT AUF HUNDE ÜBERTRAGBAR!!!!
Viele Aspekte der Mythologie der Dominanz beim Haushund werden aufgrund der nahen Verwandtschaft mit der beim Wolf gleichgesetzt. Selbst wenn 12.000 bis 14.000 Jahre Evolution das Sozialverhalten des Hundes nicht erheblich verändert hätten, können wir die Beobachtung von abnormalen Wolfsverhalten unter unnatürlichen Bedingungen nicht als Erklärung für das Verhalten von Hunden ansehen.
Hundetrainer, die Anhänger der Dominanztheorie sind, neigen dazu, in jedem von ihm beobachteten Hundeverhalten Dominanz zu sehen. Die Wissenschaft hat bewiesen, dass psychoanalytische Theorien weitgehend ungültig und ineffektiv sind. Ebenso zeigt die Wissenschaft, dass die Dominanztheorie in vielen Kontexten ebenfalls nicht anwendbar ist.
Das Problem der Aggression in Beziehungen zwischen Menschen und Hunden, die darauf zurückzuführen ist, dass der Mensch sich in seinem Sozialverhalten dem Hund gegenüber von der Dominanztheorie leiten lässt ist sehr ernsthaft. Die schwerwiegende Folge des Missverstehens der Dominanztheorie und wahrscheinlich das beste Argument für die Ablehnung der Anwendung der Dominanztheorie auf Hunde, ist der Schaden, den sie an der Beziehung zwischen Menschen und Hunden angerichtet hat. Die Dominanztheorie hat in einem aggressiven und von Konfrontationen gekennzeichneten Wettlauf um die Position des "Alphas" oder des "Rudelführers" Menschen gegen Hunde kämpfen lassen. Hundebesitzer wurden überzeugt, dass die meisten natürlichen Verhaltensweisen von Hunden Anzeichen dafür sind, dass der Hund einen "Regierungswechsel" anstrebt und durch einen Umsturz die Führung der Familie übernehmen möchte. Die Meinung, dass Hunde nach Status streben, ist weit verbreitet und viele glauben, dass Hunde, sobald man ihnen eine kleine Chance gibt, den Alphastatus auch erlangen und fortan den Haushalt mit eiserne Pfote regieren.
Die Menschen haben viele Verhaltensweisen verzerrt interpretiert, um sie an ihre Theorie des Rangstrebens anzupassen. Sie haben es sogar geschafft, sich selbst davon zu überzeugen, dass Hunde bewusst die Alphaposition um ihrer selbst Willen anstreben, als ginge es um einen neuen Titel. Das ist natürlich eine stark vermenschlichte Sichtweise und extrem unwahrscheinlich.
Für den Hund sind solche von Konfrontationen und Aggressivität geprägten Beziehungen üblicherweise gleichbedeutend mit einer Lebensgeschichte, die durch fehlende Sicherheit gekennzeichnet ist. Zudem wird die Bindung zwischen Hund und Besitzer zerstört. Wie kannst du ein Tier lieben, von dem du überzeugt bist, dass es versucht, dich vom Thron zu stoßen und das nur bestrebt ist, der "Boss" zu sein?
Der Hund ist kein Wolf, dazu kommt noch dass der Mensch kein Hund ist, dazu in einem anderen Dog-Blog mehr.
Es kann nicht genug betont werden, wie sehr die Dominanztheorie den Beziehungen zwischen Hunden und Menschen geschadet hat und der Hund leidet am meisten unter den dadurch verursachten Problemen.
Sobald die Theorie untersucht wurde und empirische sowie statistische Daten gesammelt wurden, entstanden bestimmte Probleme. Viele Ausnahmen traten auf und viele alternative Hypothesen wurden aufgestellt, um das agonistische Rangverhalten von in Gefangenschaft gehaltenen und gestressten Tieren zu erklären. Man erkannte, dass soziale Beziehungen nicht nur aus aggressiven Auseinandersetzungen bestehen. Wir begannen, schwache Korrelationen zwischen Verhaltensweisen zu finden, die als dominanzbezogen angesehen wurden. Wir stellten fest, dass diese Rangordnungen fließend und dynamisch, beziehungsweise bei vielen Spezies kontextabhängig sind. Die Dominanztheorie war eine Vereinfachung und konnte viele Beobachtungen nicht erklären. Viele Leute begannen, die Dominanztheorie als Rechtfertigung dafür zu verwenden, dass sie ihre Hunde dominierten. Hunde wurden kastriert, sprich Eierstöcke oder Hoden komplett entfernt, weil er dominant ist da er auf der Couch liegt. Ihre Beziehungen waren hoffnungslos ruiniert und viele Hunde wurden eingeschläfert, weil sie als dominant bezeichnet wurden. Sie waren dominant, weil sie zuerst durch die Tür gingen oder an der Leine zogen. Die Dominanztheorie führte zu einer aggressiven, feindseligen und von Konfrontationen geprägten Beziehung zwischen Menschen und Hunden. Wir fanden heraus, dass wir nicht in der Lage waren, zukünftiges Verhalten zuverlässig vorherzusagen, weil sich soziale Beziehungen ständig ändern. Kurz gesagt, die Dominanztheorie wurde den anfänglichen Erwartungen an sie nicht gerecht.
Bedeutet das, dass sie nutzlos ist? Wahrscheinlich nicht. Es bedeutet, dass sie wahrscheinlich nicht die allgemein gültige Theorie für soziales Verhalten ist, die sie zu sein versprach.
Sie erklärt sehr gut die Hackordnung von Hühnern, da diese Vögel eine sehr einfache, lineare Hierarchie ausbilden, die über längere Zeit stabil bleibt. Haben alle in Sozialverbänden lebenden Spezies eine solch einfache soziale Struktur wie die Hackordnung? Nein. Jede Spezies hat ein Sozialsystem entwickelt, das den speziellen Anforderungen durch die Umwelt entspricht, an die diese Spezies angepasst ist. Die variablen, die für die Dominanztheorie notwendig sind, um auch in diesem komplexeren Gesellschaften Verhaltensweisen vorhersagen und erklären zu könne, machen ihre Handhabung unmöglich und schränken ihre Brauchbarkeit ein.
Für die Verhaltenskunde scheint die Dominanztheorie nützliche Eigenschaften zu besitzen. In unseren Wohnzimmern und Hundeauslaufgebieten scheint sie aber sehr viel weniger nützlich zu sein und hat ihren Wert dort bisher noch nicht empirisch bewiesen. Sie hat jedoch bewiesen, dass sie durch Missverständnisse bei Haushunden großen Schaden anrichten kann. Wir können das Sozialverhalten von Hunden ohne Hinweis auf die Dominanztheorie verstehen, indem wir auf die Wettbewerbstheorie (Steinker, 2003) oder die Lerntheorie (Donaldson, 1996) und andere Verhaltensprinzipien, wie zum Beispiel Einschätzung und Ritualisierung verweisen.
Steinker schlägt das revolutionär anmutende Paradigma vor, bei Hunden Gewinn/Gewinner-Beziehungen statt Gewinner/Verlierer- oder Verlierer/Verlierer-Beziehungen zu bilden. Dieser innovative Ansatz analysiert Beziehungen zwischen Menschen und Hunden im Hinblick auf Gewinnen und Verlieren und hilft uns, die Beziehung so zu verändern, dass jeder Beteiligte Vorteile gewinnt und keiner verliert. In diesem Zusammenhang werden die Begriffe Gewinnen und Verlieren verwendet, um Vor und Nachteile für das Individuum zu beschreiben, nicht wie in der Dominanztheorie, wo sich Gewinnen und Verlieren auf das Ergebnis einer agonistischen Auseinandersetzung beziehen.
Durch die dahingehende Verlagerung unserer Aufmerksamkeit, dass beide Mitglieder in einer Zweierbeziehung aus einer Interaktion Vorteile gewinnen, stärken wir die Bindung zwischen Hund und Mensch und fördern Ausbildungsmethoden, bei denen respektvoll mit den Tieren umgegangen wird. Diese neue Theorie verdient es, als Ersatz für die Dominanztheorie für das Verständnis der Beziehungen zwischen Menschen und Hunden ernsthaft in Erwägung gezogen zu werden.
Ich finde, genau wie O`Heare, dass es sinnvoll ist, die Dominanztheorie entweder fallen zu lassen oder sie wirklich fundiert zu untersuchen. Sie sollte nicht nur eine nicht auf empirischen Daten beruhende (unhaltbare) Theorie sein, über die Hundebesitzer und so genannte Fachleute diskutieren und die als Rechtfertigung für die harte - und ungerechte - Behandlung von Haushunden herangezogen wird. Diese Vorgehensweise funktioniert nicht.
James O`Heare